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Liebe Englischlehrkräfte der Oskar-von-Miller-Schule,

Blumenden Blumenstrauß stelle ich voran, weil ich Sie während unserer Veranstaltung ähnlich wahrgenommen habe: angenehm, nicht zu heterogen, aber ganz eigenständig.
Nochmals vielen Dank!

Der Überblick über neuere und neueste Entwicklungen der bundesrepublikanischen und der hessischen Bildungspolitik hat Ihnen sicher nicht geschadet. Ich verweise auf die „Fortbildungshandreichung zu den Bildungsstandards Englisch und Französisch“ (De Florio-Hansen/Klewitz 2010, kassel university press) und vor allem die LAAIKE-Prinzipien (vgl. Link) sowie den Unterrichtsvorschlag „Faces of Facebook/Faces de Facebook“ (2 Links), der soeben in der Zeitschrift Praxis Fremdsprachenunterricht 5/2011 erschienen ist.

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So recht zur Sache gekommen sind wir erst, als der Begriff IT fiel. Erst da konnte ich die sogenannten Lernjobs bzw. die vor Ihnen stehenden Herausforderungen ungefähr nachvollziehen.

Bevor wir uns zu einem späteren Zeitpunkt der Entwicklung von Lernjobs (im Sinne des Beatenberger Instituts) zuwenden können, möchte ich im Folgenden wichtige Aspekte zusammenfassen, die wir während der Fortbildung zum Teil nur kurz (oder gar nicht) angesprochen haben:

Die unzureichende Wirkung fachlichen autonomen Lernens, welches von der Lehrerin oder dem Lehrer lediglich beratend begleitet wird, hat vielfältige Gründe:

1.    Damit an Wissen überhaupt angeknüpft werden und es in verschiedenen Bereichen zur Anwendung kommen kann, muss es für den Lernenden Bedeutung haben. Diese Verbindung zwischen einer Information (im Sinne der Informationstheorie) und der Bedeutung für den (einzelnen) Lernenden stellt die Lehrkraft her, in aller Regel durch Direkten Unterricht (d.h. durch gute (!) Instruktion).

2.    Die wichtigsten Bildungsforscher und Vertreter der Fachdidaktik Englisch plädieren in ihren neueren und neuesten Publikationen daher für eine Balance zwischen Instruktion und offenen Unterrichtsformen. So schreibt beispielsweise Gerhard Roth in seinem Buch: „Bildung braucht Persönlichkeit. Wie Lernen gelingt“ (2011: 298 und 288): 

Frontalunterricht hat bei entsprechender Vorbereitung und entsprechendem didaktischen Können den großen Vorteil einer klaren Zielsetzung, Aufgliederung und Darbietung des Stoffes bei gleichzeitiger direkter Kontrolle des Ablaufs. Unterstützt wird dies alles durch die Ausstrahlungskraft des selbstbewussten, einfühlsamen und kompetenten Lehrers.

… er muss vor allem eine Respektsperson sein, eine Autorität im Auftreten, in der psychosozialen Kompetenz und in seinem pädagogisch-didaktischen Vorgehen und seinem Fachwissen. [Hervorheb. durch den Autor]

Die Forderungen von Roth, der (radikal-)konstruktivistische Überlegungen zu Recht als widerlegt betrachtet, gelten m.E. insbesondere in (beruflichen) Schulen mit einem hohen Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Migrationsgeschichte.

LernerfolgFür den Englischunterricht empfiehlt Engelbert Thaler (2010) das „Balanced Teaching“, bei dem Instruktionsphasen durch offene Lernarrangements – gelegentlich auch ICT gestützt – aufgelockert werden.

 

 3.    Auf einer Lernplattform wie Moodle eingestellte Lernjobs, welche junge Erwachsene im Umfeld einer beruflichen Schule selbstbestimmt erarbeiten sollen, setzen voraus, dass die Lernenden an solche Lernformen gewöhnt sind und über ein hinreichendes fachliches Wissen verfügen, damit sie die Lernangebote auch tatsächlich nutzen können. Meine Erfahrungen mit E-Learning seit 2003 (über verschiedene Plattformen, zuletzt über Moodle) haben gezeigt, dass Lernende dann von solchen Angeboten profitieren können (!), wenn sie gute Kompetenzen der verschiedensten Art mitbringen (vgl. De Florio-Hansen (2006): „Online versus Onsite Learning? Insights into Computer-Based University Courses in Foreign Language Pedagogy”. In: Fremdsprachen und Hochschule 77, 9-32).

Andernfalls ist angemessene, wohldurchdachte Instruktion weitaus effektiver, nicht nur was Lernen und Behalten angeht, sondern auch mit Blick auf den zeitlichen Aufwand für Lernende und ihre Lehrkräfte. Deshalb fordert auch Manfred Spitzer im (österreichischen) Telekolleg: „Schule und was sie heute leisten sollte“ eine ICT-Unterstützung des schulischen Lernens nur dann, wenn eine hinreichende Basis an Wissen und Können bereits vorhanden ist (2009, www.galila.at, 06 Copy& Paste).

4.     Im Unterschied zu technischen (und bis zu einem gewissen Maß auch naturwissenschaftlichen) Fächern, in denen Wissen auch durch PC-gestützte  Lernjobs erworben werden kann, lebt der Fremdsprachenunterricht von sprachlicher (mündlicher und schriftlicher) Kommunikation und sozialer Interaktion. Bei programmierten Lernformen werden die für sprachliches Lernen unabdingbaren emotional-motivationalen Rahmenbedingungen nicht hinreichend berücksichtigt. Gegen (gelegentlich) bei Moodle eingestellte Lernjobs für das Fach Englisch (auf verschiedenen) Kompetenzniveaus ist als Kontrastprogramm jedoch nichts einzuwenden. Das setzt voraus, dass die Lehrkräfte sich mit der Gestaltung solcher Aufgabenstellungen vertraut machen (vgl. Roland Noirjean: Design von LernJobs) und entsprechende zeitliche und materielle Ressourcen zur Verfügung haben.

Wie Sie sehen, ist diese Nachlese eine der längsten, die ich eingestellt habe. Das hat gute Gründe: Vor Ihnen stehen besondere „Lernjobs“!

Ich hoffe, wir bleiben in Kontakt!

Cordiali saluti
Inez De Florio-Hansen