feedback

Feedback – ein vielfältiger Begriff

Neben dem alltagsweltlichen Gebrauch (vgl. mein Wunsch nach Feedback im vorigen Abschnitt) wird Feedback in der Wissenschaft in unterschiedlichen Bedeutungen gebraucht. 

Durch die Einführung von Bildungsstandards erhoffen sich die damit befassten Politiker ein Feedback. Im Rahmen des Bildungs-Monitorings wollen sie erfahren, inwieweit die eingeführten Standards tatsächlich erreicht werden. Einmal abgesehen davon, ob die vorliegenden Bildungsstandards überhaupt zu einer Verbesserung des Unterrichts führen können, bedeutet Feedback in diesem Zusammenhang nichts anderes als Kontrolle bzw. die „Rechenschaftslegung“ von Lehrpersonen über etwas, wofür sie in dieser Form nicht verantwortlich zu machen sind. Man kann nämlich kein auf menschlichem Zusammenwirken beruhendes System wie Schule und Unterricht durch den Output steuern oder auch nur regeln. Über Bildungsstandards kann man allenfalls Anstöße dazu geben, über den curricularen Input sowie die Unterrichts- und Lernprozesse verstärkt nachzudenken. Daher wollen wir uns dem Lehren und Lernen fremder Sprachen zuwenden und uns fragen, welche Rolle Feedback im Fremdsprachenunterricht spielt und wie es möglichst wirksam gestaltet werden kann.

Im Allgemeinen (so auch die Hattie-Studie sowie die Arbeiten seiner Kollegin Helen Timperley und anderer empirischer Forscher) lassen sich im Unterricht drei Arten von Feedback unterscheiden: 1. Feedback von Lehrpersonen für die Schülerinnen und Schüler, 2. Feedback der Lernenden untereinander und 3. Feedback der Schülerinnen und Schüler für die Lehrperson. Aus meiner Sicht kommt noch eine weitere Form der Rückmeldung hinzu, nämlich 4. Feedback der Lehrpersonen untereinander, z. B. in professionellen Arbeitsgruppen.

Da das Feedback der Lernenden, welches sie Lehrpersonen geben bzw. geben sollten, ohne Zweifel besonders bedeutsam ist, wollen wir uns zunächst mit dieser dritten Form der Rückmeldung beschäftigen. Nun werden Sie sagen: „Dazu gibt es doch eine Fülle von Ratgebern und weiterführender Literatur.“ Aber wir werden sehen, dass diese Vorschläge nicht das beinhalten, was eigentlich mit Feedback von Lernenden für Lehrpersonen gemeint ist. Oft werden Fragebögen angeboten, die von den Schülerinnen und Schülern in regelmäßigen Abständen ausgefüllt werden (sollen). Insbesondere das EMU-Projekt von Andreas Helmke und seinen Mitarbeitern ist hier richtungsweisend. Aber ist das wirklich die Form von Feedback, aus der Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer Rückschlüsse ziehen können, wie ihr Unterricht bei einzelnen Schülerinnen und Schülern ankommt?

In der zweiten Folge: „Feedback ja, aber wie?“ beschäftigen wir uns mit den vorliegenden unterrichtspraktischen Vorschlägen und überlegen, welchen Nutzen wir für den Fremdsprachenunterricht daraus ziehen können. Vor allem aber stelle ich Ihnen vor, was bei Hattie und Timperley sowie anderen empirisch arbeitenden Forschern mit Feedback für Lehrpersonen gemeint ist. Wie können wir im Fremdsprachenunterricht erreichen, dass einzelne Schülerinnen und Schüler uns mitteilen, ob und wie sie individuell von unserem Unterricht profitiert haben?

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wie können Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer erfahren, ob die Schülerinnen und Schüler in ihrem Unterricht genügend lernen? Hattie bringt es anschaulich auf den Punkt: Lehrpersonen müssen das Lernen aus der Sicht ihrer Schülerinnen und Schüler betrachten. Eine naheliegende und vor allem gängige Strategie, etwas über die Befindlichkeiten der Lernenden in Erfahrung zu bringen, besteht in (schriftlichen) Befragungen.

Im Anschluss an die Hattie-Studie ist ein Buch von Regine Berger u. a. (2013; Weinheim & Basel: Beltz) mit dem Titel „Warum fragt ihr nicht einfach uns? Mit Schüler-Feedback lernwirksam unterrichten“ erscheinen. Welchen Nutzen können wir für das Lehren und Lernen von Fremdsprachen aus dieser Publikation, die sich Unterrichtsentwicklung à la Hattie auf die Fahnen geschrieben hat, ziehen? Schaut man sich das Inhaltsverzeichnis genauer an (z. B. über Amazon: Blick ins Buch), stellt man fest, das Berger und Mitautoren von evidenzbasiertem Lehren und Lernen weit entfernt sind. Es werden verschiedene Befragungsformen präsentiert, die einer Lehrperson keinerlei Auskunft darüber geben, in welcher Weise einzelne Schülerinnen und Schüler vom Unterricht, insbesondere der Darbietung und Erarbeitung neuer fremdsprachlicher Inhalte, profitieren. Auch der verkaufsträchtige Titel gibt zu denken, denn er suggeriert, dass Schülerinnen und Schüler sich geradezu danach drängen, ihren Lehrerinnen und Lehrern Auskunft über den jeweiligen Unterricht zu geben. Als erfahrene Lehrperson wissen Sie selbst, wie schwierig es ist, individuellen Lernenden wirklich relevante Informationen über die Effekte Ihres Unterrichts zu entlocken.

„Know thy impact“ fordert Hattie (2012: VII, IX, 5, 19, 32, 84, 157, 169). Um die Wirkung des eigenen Unterrichts abschätzen zu können, helfen die Fragebögen von Helmke (Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalisierung. Seelze: Klett Kallmeyer, 42012: 268-303) weiter. Im Rahmen des EMU-Projekts (Evidenzbasierte Methode zur Unterrichtsdiagnostik und -entwicklung) beschreiben Helmke und sein Team, welche Aspekte bei einer wissenschaftsorientierten Diagnostik im Mittelpunkt des Interesses stehen, nämlich 1. die Klassenführung, 2. das lernförderliche Klima, 3. die Klarheit/Strukturiertheit der Lehrperson/des Unterrichts sowie 4. die Aktivierung der Lernenden. Diese Punkte werden in einer (5.) Bilanz des Unterrichtsgeschehens zusammengefasst, und zwar aus drei Perspektiven, der der Schülerinnen und Schüler, der der unterrichtenden Lehrerperson und der von Kolleginnen und Kollegen, die in der Unterrichtsstunde hospitieren.

Schülerfragebogen

Lehrerfragebogen

Kollegenfragebogen

Ich konnte in dieser Unterrichtsstunde ungestört arbeiten.

Die Schüler/innen konnten ungestört arbeiten.

Die Schüler/innen konnten ungestört arbeiten.

Wenn die Lehrerin in dieser Unterrichtsstunde eine Frage gestellt hat, hatte ich ausreichend Zeit zum Nachdenken.

Wenn ich eine Frage gestellt habe, hatten die Schüler/innen ausreichend Zeit zum Nachdenken.

Wenn die Kollegin eine Frage gestellt hat, hatten die Schüler/innen ausreichend Zeit zum Nachdenken.

Mir ist klar, was ich in dieser Stunde lernen sollte.

Den Schüler/innen war klar, was sie in dieser Stunde lernen sollten.

Den Schüler/innen war klar, was sie in dieser Stunde lernen sollten

Ich war die ganze Stunde über aktiv bei der Sache.

Die Schüler/innen waren die ganze Stunde über aktiv bei der Sache.

Die Schüler/innen waren die ganze Stunde über aktiv bei der Sache.

Ich habe in dieser Unterrichtsstunde etwas dazu gelernt.

Ich habe die Lernziele dieser Unterrichtsstunde erreicht.

Die Kollegin hat die Lernziele dieser Unterrichtsstunde erreicht.


EMU-Fragebögen
stehen in zahlreichen Varianten zum kostenlosen Download zur Verfügung: http://www.unterrichtsdiagnostik.info/downloads/fragebogen/ (letzter Zugriff 15. Sept. 2014). Auch ein Video zum Englischunterricht in der 9. Klasse einer Realschule kann kostenfrei genutzt werden.

Schon früher, nämlich 2009, hat das ehemalige Institut für Qualitätsentwicklung (seit 2013: Landesschulamt und Lehrkräfteakademie) des Hessischen Kulturministeriums eine Broschüre + CD-ROM mit „Fragebögen zur Unterrichtsqualität“ herausgebracht, die kostenlos angefordert werden kann. (Für die Sek. I enthält die Broschüre einen Lehrer(innen)-Selbsteinschätzungsbogen sowie einen Schüler(innen)-Fragebogen einschließlich einer detaillierten Auswertungshilfe). Inzwischen stehen weitere Befragungsinstrumente des Hessischen Kultusministeriums zur Verfügung (Suchmaschinen-Eingabe: IQ Hessen Publikationen). Außerdem gibt es – wie beim EMU-Projekt– Hilfestellung für die Besprechung der Ergebnisse im Unterricht.

Was haben nun diese schriftlichen Befragungen mit Schüler-Feedback für Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrer zu tun? Aus meiner Sicht sind sie allenfalls ein erster Schritt auf dem Weg zu Hatties Mantra: „When teachers SEE learning through the eyes of the student – When students SEE themselves as their own teachers“ (2009: 238). Eine Grundvoraussetzung für lernwirksamen Unterricht ist nach Hattie (und zahlreichen anderen Erziehungswissenschaftlern) folgende: „Teachers need to be aware of what each and every student is thinking and knowing, to construct meaning and meaningful experiences in light of this knowledge …” (a. a. O.). Die Betonung liegt auf “each and every student”.

Da schriftliche Befragungen der genannten Art anonym erfolgen, vermitteln sie der Lehrperson bestenfalls einen allgemeinen Eindruck, wie ihr Unterricht bei den Lernenden „ankommt“. Welche Schwierigkeiten einzelne Schülerinnen und Schülern in einzelnen Phasen des Unterrichts haben, warum sie manchmal nicht weiterkommen und vor allem wie sie die verabredeten Ziele trotzdem erreichen können – darüber geben schriftliche Befragungen nur sehr eingeschränkt Auskunft. In keiner seiner Publikationen (2009, 2012, 2013 mit Anderman, 2014 mit Yates) erwähnt Hattie im Zusammenhang mit Schüler-Feedback für Lehrpersonen schriftliche Befragungen.

Trotz der genannten Einschränkungen, denen schriftliche Befragungen zur Unterrichtsqualität unterliegen, sollte man sie einmal ausprobiert oder zumindest gesichtet haben. In Folge 3: Das verborgene Leben der Lernenden (in Anklang an Nuthall’s The Hidden Lives of Learners) stelle ich Ihnen Möglichkeiten vor, wie sie der tatsächlichen Wirkung Ihres Unterrichts auf einzelne Schülerinnen und Schüler trotz aller Schwierigkeiten auf die Spur kommen können.

Was ich Ihnen diesmal wünsche? Wissbegierige Schülerinnen und Schüler, kooperative Kolleginnen und Kollegen und eine bessere Bildungspolitik (solche Bildungsgipfel sollten ja zu positiven Ergebnissen führe, oder?)!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

aufgrund meiner bisherigen Überlegungen sind – hopefully – zwei Punkte klar geworden:

  1. 1. Mit dem bei Hattie und anderen Bildungsforschern geforderten Feedback für Lehrpersonen ist kein künstliches, anonymisiertes Verfahren der Rückmeldung von Schülerinnen und Schülern an ihre Lehrerinnen und Lehrer gemeint. Vielmehr geht es um mündliche und schriftliche Äußerungen zu Wirkungen des Unterrichts, bei denen sich die Lernenden nicht hinter einem formalisierten Verfahren verstecken. Aufgrund des bestehenden Vertrauensverhältnisses zur Lehrperson äußern sie ohne Scheu, was sie in ihrem Lernen weitergebracht und wo es Schwierigkeiten gegeben hat. Das setzt über das geforderte positive Lehrer-Schüler-Verhältnis ein lernförderliches Klassenklima voraus, d. h. die Peers haben gelernt, mit eigenen Äußerungen und denen der Mitlernenden konstruktiv umzugehen.
  1. 2. Es geht um die individuelle Förderung einzelner Schülerinnen und Schüler. Das Feedback an die Lehrperson darf daher nicht nur in großen zeitlichen Abständen erfolgen, sondern es sollte Fremdsprachenlehrerinnen und -lehrern einen Einblick in die Lernprozesse individueller Lernender in allen Phasen des Unterrichts ermöglichen. Dabei geht es nicht nur um die lernschwächeren Schülerinnen und Schüler. Auch das obere Drittel hat Anspruch darauf, durch geeignete Impulse größere Lernerfolge zu erzielen. Auf die Schwierigkeiten, ein entsprechendes Vertrauensverhältnis und das förderliche Klassenklima herzustellen, habe ich immer wieder hingewiesen. Es versteht sich daher von selbst, dass diese Form des Feedbacks früh eingeführt werden muss, damit die Bereitschaft, sich zu den individuellen Lernprozessen zu äußern, in höheren Klassen bereits entwickelt ist.

Zur Einführung eigenen sich die folgenden semi-formalisierten Verfahren, die Ihnen sicher bekannt sind. Sie sollten deutlich öfter zum Einsatz kommen, als es bisher im Fremdsprachenunterricht üblich ist:

  1. A. Daumenprobe:

Nach einer Unterrichtsphase erfolgt die Rückmeldung durch das aus Facebook bekannte „Liken“ in abgewandelter Form: Alle Lernenden bekunden ihre Einschätzung durch Daumen nach oben, Daumen nach unten oder Daumen geradeaus. Mindestens zwei Schülerinnen und Schüler äußern sich zu der jeweiligen Daumenstellung (am besten auf Deutsch). Abfällige Bemerkungen, insbesondere über die Mitlernenden, sind nicht gestattet.

  1. B. Blitzlicht:

Jeder Lernende macht eine Bemerkung zum Lernergebnis (am besten auf Deutsch). Die Lehrperson fasst kurz die wichtigsten positiven und negativen Punkte zusammen. Wie die Daumenprobe erfordert auch dieses Verfahren wenig Zeit und kann in jeder Unterrichtsstunde mehrmals eingesetzt werden.

  1. C. Erklärungsimpuls:

Nach einer Darbietungsphase durch die Lehrperson sagen mehrere Lernende – sie sollten gezielt zur Äußerung aufgefordert werden, auch ohne dass sie sich gemeldet haben –, was sie verstanden haben. Dieses Verfahren eignet sich gut für Statements in der Zielsprache.

Bevor wir uns in der 4. Folge weiteren Möglichkeiten zuwenden, als Lehrperson gezielte Auskünfte über die Wirkung des eigenen Unterrichts von einzelnen Schülerinnen und Schülern zu erhalten, reproduziere ich im Folgenden den letzten Abschnitt des Kapitels zum Feedback aus meinem Narr Studienbuch: Fremdsprachenunterricht lernwirksam gestalten. Mit Beispielen für Englisch, Französisch und Spanisch (Tübingen: Narr 2014, S.166-167):

9.4      Liebe muss nicht blind machen

Antonio ist ein munterer Junge von 12 Jahren. Er lernt gern Fremdsprachen. Englisch gefällt ihm, weil fast alles so schön kurz ist. Außerdem versteht er schon ziemlich viel durch die englischsprachigen Songs, die er mit Begeisterung hört. Antonio ist zudem stolzer Besitzer eines Notebooks und eines Smartphones. Auch das trägt zu seiner Vorliebe für Englisch bei.

Antonio besucht die sechste Klasse einer Gesamtschule und hat als zweite Fremd­sprache Spanisch gewählt. Das kann er bereits ziemlich gut, auch wenn zu Hause Deutsch gesprochen wird: Antonios Vater stammt nämlich aus Spanien. Seinen Eltern sagt Antonio nicht, dass er mit der von ihnen vorgeschlagenen Wahl auch aus einem anderen Grund einverstanden ist. Seine Lieblingslehrerin wird in Antonios Klasse nämlich nicht nur Englisch, sondern auch Spanisch unterrichten.

Etwa zwei Monate nach Beginn des Schuljahrs fordert Frau Berthold die Schüle­rinnen und Schüler auf, ihr in Abständen von ca. sechs Wochen zu vermelden, was im Unterricht gut und was nicht gut läuft. Dafür reserviert sie einen Teil des Englischun­terrichts. Als diese Feedback-Initiative nicht auf das gewünschte Echo stößt, richtet Frau Berthold eine Schülersprechstunde ein. Aber auch das führt nicht dazu, dass einzelne Schülerinnen oder Schüler ihr in irgendeiner Form die gewünschte Rück­meldung zu ihrem Unterricht geben. Da fordert Frau Berthold Antonio kurzerhand auf, doch einmal zu ihr in die Schülersprechstunde zu kommen.

Hinterher wollen die anderen natürlich wissen, was die Lehrerin mit ihm bespro­chen hat. Antonio erzählt es bereitwillig: Zunächst hat sie ihn aufgefordert, ihr zu sagen, wie er ihren Unterricht findet. Da sagte Antonio: „Also, soweit läuft alles ganz gut.“ Als Frau Berthold meinte, das sei doch recht nichtssagend, merkte Antonio an, dass sie das auch immer sage. Da musste die Lehrerin lachen, denn in der Tat wollte sie die Kinder mit dieser Floskel ermutigen. Antonio dürfe sie ruhig kritisieren, müsse aber fair bleiben. Zum Erstaunen seiner Klassenkameraden und auch der Mädchen hatte Antonio daraufhin nacheinander seine Kritikpunkte aufgezählt:

  • „Manchmal versäumen wir zu viel Zeit mit Nebensachen wie Klassenbuch­führung, Bücherlisten usw.“
  • „Viele brauchen einfach mehr Zeit. Sie nehmen immer zu schnell die dran, die es ohnehin wissen.“
  • „Sie loben uns dauernd; in der letzten Stunde haben sie mich dreimal gelobt, ob­wohl ich gar nichts Besonderes gemacht habe.“
  • „Könnten Sie mir nicht mal sagen, was ich besser machen kann?“

Einige glauben Antonios Erzählung nicht; andere sind davon überzeugt, dass er es bei Frau Berthold „verschissen“ hat. In der darauffolgenden Stunde jedoch nennt die Lehrerin Antonios Kritikpunkte vor der Klasse und sagt, dass sie dadurch Wichtiges gelernt habe. Sie werde sich bemühen, es in Zukunft besser zu machen. So etwas hatten die Kinder noch nie von einer Lehrperson gehört. In der Folgezeit brachten zunehmend mehr Schülerinnen und Schüler den Mut auf, Frau Berthold in der Feed­back-Stunde, aber auch bei anderen Gelegenheiten ein Feedback zu geben. Antonio schwärmt jetzt noch mehr für seine Lehrerin. Liebe muss eben nicht blind machen.

Mit dieser Folge bringe ich den Teil des Feedbacks zu Ende, der sich auf Rückmeldungen von Schülerinnen und Schüler an Ihre Lehrpersonen bezieht.

Selbstverständlich ist es mir selbst nur zum Teil gelungen, von meinen Lernenden etwas darüber zu erfahren, ob und wie sie von meinem Unterricht profitiert haben. Ich bin so vorgegangen: Ungefähr alle vier Wochen – heute würde ich es öfter machen – habe ich selbst meinen Unterricht vor der Lerngruppe evaluiert, d. h. ich habe gesagt, an welchen Stellen ich den Eindruck hatte, meine Unterrichtsstrategien seien nicht so wirksam gewesen, wie ich es erhofft bzw. erwartet hatte. Zu meinem Erstaunen lag ich nicht selten mit meinen Einschätzungen daneben, denn die Schülerinnen und Schüler teilten insbesondere meine negativen Eindrücke oft nicht. Sie sagten dann beispielsweise: „Nee, war schon ganz in Ordnung, aber wir haben vorher eine Mathearbeit geschrieben“ oder „Es war halt einfach schwer, und da haben wir wahrscheinlich zu schnell abgeschaltet.“ Während sie mich also einerseits trösteten, dass meine Lehrbemühungen im Prinzip ganz in Ordnung waren, rückten sie bei solchen Gelegenheiten mit der Sprache heraus: „Also, das mit der Vergangenheit haben wir nicht gut verstanden. Da hätten wir viel mehr Beispiele gebraucht“ oder „Wer kann schon immer an die ganzen Regeln denken, die Sie an die Tafel schreiben. Im Ernstfall sollen wir doch einfach so drauflos reden.“  „Also ich konnt‘ echt was mit der Phantasiereise neulich anfangen. Das sollten wir öfter machen.“

Zu solchen Aussagen von Schülerinnen und Schülern kann man auch kommen, wenn man – wie die Lehrerin in der Episode der letzten Folge – eine Schülersprechstunde einrichtet. Damit überhaupt Lernende diese Gelegenheit nutzen, sollte man z. B. individuelle Tipps zum Vokabellernen in Aussicht stellen. Schülerinnen und Schüler – sie dürfen auch zu zweit in die Sprechstunde kommen – können von für sie unergiebigen oder gar problematischen Unterrichtsstunden ein Lernprotokoll anfertigen: Was sollte gelernt werden? Was habe ich gelernt? Was ist gut gelaufen? Wo hatte ich Schwierigkeiten? Was hätte Herr X/Frau Y anders machen sollen? Es bietet die Gesprächsgrundlage. Ehrliche Antworten auf solche Fragen setzen – wie mehrfach betont – ein Vertrauensverhältnis voraus, welches nach und nach auf- und ausgebaut werden muss. Ist das Eis erst einmal gebrochen, werden Sie sehen: Der Aufwand hat sich gelohnt! Sie können nämlich dann Ihren Unterricht gezielter für die jeweilige Lerngruppe vorbereiten, durchführen und evaluieren.

Das Lehren und Lernen von Fremdsprachen ist mit Anstrengung verbunden. Das müssen auch die Lernenden akzeptieren. Gleichzeitig muss Ihr Unterrichtsangebot so sein, dass die Kinder und Jugendlichen, die lernen wollen – und das sind die meisten – gute Lernerfolge erzielen können. Ein wichtiger Aspekt ist aber immer auch: Fremdsprachenlernen soll Freude machen.

in dieser 5. Folge von ‚Feedback im Fremdsprachenunterricht‘ geht es um Rückmeldungen, die Lehrpersonen ihren Schülerinnen und Schülern geben (sollten). Dabei gelten folgende wichtige Grundsätze:

1. Feedback muss häufig(er) erfolgen

Lehrpersonen geben ihren Lernenden viel zu selten ein Feedback. Experten haben festgestellt, dass auch im Fremdsprachenunterricht eine Rückmeldung oft nur im Zusammenhang mit einem Test oder einer Klassenarbeit erfolgt. Und sogar bei dieser Gelegenheit beschränken sich viele Lehrpersonen auf die Note. Sie nehmen nämlich an, dass die Zensur oder die Punktzahl den individuellen Lernenden schon hinreichend Auskunft über ihren Lernstand gibt. Dass das nicht so ist, kann man Interviews mit Schülerinnen und Schülern entnehmen, die sich nähere Auskünfte zu ihren Leistungen wünschen würden.

Nach Hattie (2009; 2012) und anderen Unterrichtsforschern sollte Feedback kontinuierlich in regelmäßigen Abständen vom Beginn einer Unterrichtseinheit bzw. einer -stunde bis zum Ende erfolgen.

  • Beim angeleiteten sowie beim selbstständigen Üben müssen die Lernenden zeitnah erfahren, ob sie auf dem richtigen Weg sind. Wenn die Klärung von Missverständnissen und die Korrektur von Fehlern erst am Ende erfolgt, sind Fehlinterpretationen viel schwerer richtig zu stellen. Zudem ist die Gelegenheit, einige Sachverhalte durch eine Lernschleife, das sogenannte re-teaching, zurechtzurücken, meist vertan.
  • Nach der Einführung der neuen Lerninhalte ergibt sich die Gelegenheit, durch Rückfragen der Lehrperson möglichst vielen Schülern ein positives Feedback zu geben, indem Fragen zunächst möglichst einfach und zunehmend anspruchsvoller formuliert werden.
  • Hauptgelegenheiten sind z. B. die Darlegung der Lernziele und der Erfolgskriterien. Hier erfahren die Lernenden durch das Feedback der Lehrperson, ob sie wirklich verstanden haben, was sie am Ende wissen und können sollten.

2. Feedback muss klar erkennbar sein

Viele Lehrerinnen und Lehrer sind davon überzeugt, dass sie den Lernenden häufig Feedback geben. Befragt man nun deren Schülerinnen und Schüler, so stellt man leider fest, dass das vermeintliche Feedback von den Lernenden nicht als solches wahrgenommen wird. Entweder erfolgt es zu beiläufig oder in einer Formulierung, mit der einzelne Schülerinnen und Schüler wenig anzufangen wissen, weil die Rückmeldung zu unspezifisch erfolgt. „Das können wir. Machen wir weiter!“ kann nicht als Feedback betrachtet werden, aus dem die Lernenden Informationen über ihre Fortschritte oder Lernschwierigkeiten entnehmen können.

Feedback sollte sich möglichst immer auf einen konkreten Sachverhalt beziehen: „Ich denke, die Formen der wichtigsten unregelmäßigen Verben können wir jetzt, müssen sie aber noch mehrmals wiederholen, um sie anwenden zu können.“ Oder: „Mark, der Gedanke, dass es einen Unterschied zwischen savoir und pouvoir im Sinn von ‚können‘ gibt, ist gut. Nun müssen wir anhand der Beispiele herausfinden, worin er besteht.“

Floskeln wie „Das war schon ganz gut, aber...“ bei einer falschen Lösung sind tunlichst zu vermeiden. Und jede noch so geringe positive Leistung mit einem „Sehr gut, weiter so… „ zu belobigen, führt nicht zu der Anstrengung, die für gute Lernergebnisse nun einmal erforderlich ist. Das leitet zum nächsten Grundsatz über.

3. Feedback darf nicht undifferenziert erfolgen

Eine weltbekannte Motivationsforscherin, Carol Dweck, hat in einer großen Zahl von Studien herausgefunden, dass Lob oft das Gegenteil von dem bewirkt, was Lehrpersonen (und Eltern) erreichen wollen. Daniel Pink, der an die Ergebnisse von Dweck anknüpft, betont, dass im Endeffekt nur intrinsische Motivation zu größeren Lernanstrengungen und Lernerfolgen führt.

Wie erreicht eine Lehrerin oder ein Lehrer durch Feedback eine Steigerung der Lernerfolge? Mit ziemlicher Sicherheit nicht dadurch, dass ein undifferenziertes Lob ausgesprochen wird. Wenn wir einem Kind oder Jugendlichen einmal das Label „Du bist wirklich schlau!“ angeheftet haben, wird sie oder er alles tun, um diese Etikettierung nicht zu verlieren. Die Schülerin oder der Schüler wird jedes Risiko vermeiden. Meist hat dies Rückschritte in der Lernleistung zur Folge.

Nach Dweck und Pink (sowie anderen Motivationsexperten) sollte Lob an die konkrete Leistung gebunden sein, z. B. „Du hast den Text gut zusammengefasst, denn du hast …“. Positive Rückmeldung ist dann besonders wirksam, wenn sie sich auf die Anstrengungsbereitschaft bzw. das Durchhaltevermögen einzelner Schülerinnen und Schüler bezieht. „Es ist gut, dass du schon bis zu diesem Abschnitt gekommen bist. Nun solltest du vielleicht versuchen …“ 

John Hattie unterscheidet Feedback, das sich auf die Aufgabe, auf die Lernprozesse sowie auf die Selbstregulierung bezieht. Bei den Fragen, die er für die einzelnen Niveaus des Feedbacks – nämlich task, process, self-regulation – empfiehlt, konzentriert er sich auf die Selbstregulierung (Hattie 2012: 129):

Aufgabe:

  • Ist seine/ihre Antwort in Einklang mit den Erfolgskriterien?
  • Ist seine/ihre Antwort richtig/falsch?
  • Kann er/sie ihre Antwort sorgfältiger ausarbeiten?
  • An welcher Stelle ist etwas schiefgegangen?
  • Wie lautet die korrekte Antwort?
  • Welche zusätzlichen Informationen sind nötig, um die Erfolgskriterien zu erreichen?

Prozess:

  • Was ist falsch und warum?
  • Welche Strategien hat er/sie eingesetzt?
  • Worin besteht die Erklärung für die richtige Antwort?
  • Welche weiteren Fragen kann er/sie hinsichtlich der Aufgabe stellen?
  • In welcher Beziehung stehen die Teile der Aufgabe zueinander?
  • Welche zusätzlichen Informationen gibt es im Handout?
  • Wie versteht er/sie die auf die Aufgabe bezogenen Konzepte bzw. das entsprechende Wissen?

Selbstregulierung:

  • Wie kann er/sie die eigene Arbeit überwachen?
  • Wie kann er/sie sich selbst überprüfen?
  • Wie kann er/sie die zur Verfügung gestellte Information evaluieren?
  • Wie kann er/sie das eigene Lernen reflektieren?
  • Was hast du getan, um …?
  • Was ist passiert, als du …?
  • Wie kannst du Rechenschaft ablegen für …?
  • Welche Rechtfertigung kann man geben für …?
  • Welche weiteren Zweifel hast du hinsichtlich der Aufgabe?
  • In welcher Hinsicht kann man das vergleichen mit …?
  • Was haben alle diese Informationen gemeinsam?
  • Welche Lernziele hast du erreicht?
  • Inwieweit haben sich deine Vorstellung verändert?
  • Was kannst du selbst jetzt jemanden lehren?
  • Kannst du einem anderen Schüler jetzt erklären, wie man …?

Der Schwerpunkt liegt auf der Selbstregulierung. Sie ist, unabhängig von der jeweiligen Aufgabe, für die Steuerung von Lernprozessen entscheidend, aber ohne Zweifel aufwendig.  Man kann kaum ein besseres Fazit ziehen als Hattie selbst (2012: 136): ”No wonder giving feedback that is then appropriately received is so difficult.” In der Tat ist es ausgesprochen schwierig ist, ein Feedback zu geben, welches bei den Adressaten angemessen ankommt (vgl. De Florio-Hansen 2014a: 137ff).

Die folgenden Feedback-Strategien, die vor allem in den USA eingesetzt werden, haben eines gemeinsam: Sie sollen die Lehrperson möglichst schon im laufenden Unterricht auf Missverständnisse und/oder Lernschwierigkeiten einzelner Schülerinnen und Schüler hinweisen.

I. Ressourcen für den kurz- und längerfristigen Einsatz

Handsignale: Über Daumen nach oben, nach unten und geradeaus, können die Lernenden auch durch die Anzahl der erhobenen Finger anzeigen, wie gut sie einen Lernzusammenhang verstanden haben. Dabei geht es von eins bis fünf, wobei die gesamte erhobene Hand, d. h. alle fünf Finger weisen ausgetreckt nach oben, das volle Verständnis des neuen Unterrichtsinhalts anzeigt. So kann die Lehrperson den Schülerinnen und Schülern, die aus irgendeinem Grund mit dem dargebotenen Unterrichtsstoff nicht zurechtkommen, gezielt helfen.

Exit Tickets: Die Lernenden geben der Lehrperson am Ende der Unterrichtsstunde ein mit ihrem Namen versehenes Kärtchen ab, auf dem sie eine Frage schriftlich beantwortet oder zu einem ausgewählten Unterrichtsinhalt Stellung genommen haben. Fragen bzw. kurze Schreibaufgaben kann die Lehrperson so auswählen, dass sie Auskunft über mögliche Missverständnisse erhält und diese in der folgenden Unterrichtsstunde klären kann.

Ampelmethode: Bei angeleitetem oder selbstständigem Üben stellen die Lernenden ein grünes Schild auf, wenn sie gut mit den Aufgaben vorankommen; ein gelbes Kärtchen zeigt an, dass sie Ideen und/oder Fragen zu den Aufgaben haben und ein rotes Kärtchen weist die Lehrperson darauf hin, dass größere Lernschwierigkeiten aufgetreten sind. Selbstverständlich versuchen die Lernenden zunächst, ein Feedback von ihren Gruppenmitgliedern zu erhalten, bevor sie allein oder als Gruppe zu den Kärtchen greifen.

Lerntagebücher: Nach wie vor sind längerfristig angelegte Lerntagebücher eine wirkungsvolle, aber aufwendige Feedback-Strategie. Lernprotokolle hingegen können von jedem Lernenden kurzfristig erstellt werden, entweder zu einzelnen Unterrichtsstunden oder auch nur zu einzelnen Phasen, bei denen die Lehrperson den Eindruck gewonnen hat, dass viele Schülerinnen und Schüler nicht „mitgekommen“ sind.

II. Beteiligung der Lernenden am Formative Assessment

Bei dem folgenden aus vier Schritten bestehenden Verfahren geht es nicht nur darum, dass die Lehrperson von den Schülerinnen und Schülern zeitnah ein Feedback zu deren Lernfortschritten und Lernschwierigkeiten erhält. Vielmehr werden die Lernenden von Anfang an in den Assessment-Prozess eingebunden, und zwar durch die folgenden vier Schritte:

  • Clarify intended learning: Bei diesem ersten Schritt geht es darum, mit den Schülerinnen und Schülern zu definieren, was gelernt werden soll und woran sie erkennen können, dass sie auf dem richtigen Weg sind und ihr Lernen erfolgreich ist.
  • Elicit evidence: Üblicherweise ist es die Lehrperson, die rückversichernde Fragen zu den Lernfortschritten stellt. Da die Schülerinnen und Schüler durch den ersten Schritt an der Festlegung der Ziele und Erfolgskriterien beteiligt sind, werden sie angehalten, auch selbst entsprechende Fragen zu stellen (assertive questioning).
  • Interpret evidence: Mit Hilfe der Lehrperson interpretieren die Lernenden ihr eigenes Lernen sowie die Lernfortschritte von Peers. Sie achten darauf, inwieweit sie selbst und ihre Mitlernenden die in Schritt 1 festgelegten Erfolgskriterien auch tatsächlich erreichen. Durch ihre Interpretation eigener und fremder Lernfortschritte tragen sie zur (möglichen) kurzfristigen Änderung von Lehr- und Lernstrategien bei.
  • Acting on evidence: Beim letzten Schritt finden die Lernenden zusammen mit der Lehrperson heraus, wann sie in der Mehrzahl bereit sind, den Schritt vom formalen Üben hin zu Anwendung und Transfer auf lebensweltliche Probleme bzw. neue Situationen zu wagen.

In den Folgen 8 – 10 geht es um Möglichkeiten der Rückmeldung ein, die sich Schülerinnen und Schüler untereinander geben können. Meist erfolgt diese Form des Feedbacks bei der Arbeit im Tandem oder im Team, d. h. es unterliegt dem Einblick der Lehrperson nur zu einem geringen Teil. Anders ist das bei Rückmeldungen der Lernenden untereinander im Klassenunterricht, z. B. bei der Begutachtung einer Präsentation durch die Mitlernenden.

Es wird immer wieder darauf hingewiesen, wie lernfördernd Gespräche der Lernenden untereinander bei der Bearbeitung von Übungen sowie anspruchsvollen Aufgaben sind. Häufig wird das darauf zurückgeführt, dass Peers untereinander eher den Ton finden, den ihre Kleingruppenmitglieder verstehen. Generell ist es sicher so, dass die Erarbeitung einer Aufgabe im Tandem oder Team in einer Art Schutzraum stattfindet, der es auch Lernschwächeren ermöglicht, sich zu beteiligen und vor allem sich an den Mitlernenden zu orientieren.

Bis es aber zu den soeben beschriebenen Effekten eines Feedbacks unter Peers kommt, bedarf es der gründlichen Vorbereitung und Einarbeitung der Lernenden. Ein inzwischen verstorbener, aber nach wie vor sehr einflussreicher Forscher aus Neuseeland, Graham Nuthall, hat über Jahrzehnte mit relativ objektiven Methoden untersucht, was sich in Kleingruppen abspielt und insbesondere, was die einzelnen Schülerinnen und Schüler sagen. Das Ergebnis: The Hidden Life of Learners (zuletzt 2007) zeigt, dass ca. 80 % des Feedbacks, welches die Lernenden sich untereinander geben, falsch ist! Falsch bedeutet entweder inhaltlich falsch oder unpassend, um bei dem oder den angesprochenen Peers wünschenswerte Lerneffekte auszulösen.

Wie kann es dann sein, dass Rückmeldungen der Lernenden untereinander so positiv eingeschätzt werden? Wie kann man diesen Widerspruch auflösen? Das Feedback unter Peers, die ja ohnehin bei Jugendlichen einen größeren Einfluss haben als Lehrpersonen und Eltern, hat dann positiven Einfluss auf die Mitlernenden, wenn eine intensive Übung und Vorbereitung des Feedbacks erfolgt ist. In einigen englischsprachigen Ländern gibt es kurze Video-Sequenzen zum Feedback unter Schülerinnen und Schülern. Zusammen mit der Lehrperson sehen sich die Lernenden solche Videos an und stellen die gelungenen und die weniger gelungenen Rückmeldungs-Aktionen heraus. Meist werden danach in Simulationen bzw. Rollenspielen Feedback-Aktivitäten in Tandems und Teams geübt.

Was können wir tun, die wir über solche Videos nicht verfügen? Wir können die Lernenden zum einen in Gruppen einen kurzen Kriterienkatalog erarbeiten lassen, welche wichtigen Regeln beim Feedback beachtet werden sollten. Zum anderen gibt es Hilfe seitens der Forschung. Obgleich ich der Hattie-Studie inzwischen noch kritischer gegenüberstehe, als ich es in meinen beiden Büchern (De Florio-Hansen 2014a; 2014b) dargestellt habe, ist der Neuseeländer auf dem Gebiet des Feedback (zusammen mit seiner Kollegin Helen Timperley; Hattie & Timperley 2007) unter den führenden Wissenschaftlern. Einer seiner Doktoranden hat auf der Grundlage einer Vorgabe von Hattie eine Handreichung gestaltet und erprobt, die für das Feedback von Lernenden untereinander konzipiert ist. Sehen Sie sich, wenn Sie Zeit und Interesse haben, die englische und/oder die französische Fassung einmal an, besprechen Sie die dargestellten Schritte mit Ihren Lernenden und nehmen Sie gegebenenfalls Vereinfachungen vor.

Zum Schluss ein Zitat von Albert Einstein: „Man sollte alles so einfach wie möglich sehen – aber auch nicht einfacher.“

 
pdfEnglische Fassung116.11 kB       pdfFranzösische Fassung118.86 KB

Während in der 8. Folge erfolgreiche Rückmeldungen im Rahmen von Kleingruppenarbeit erläutert wurden, geht es in dieser Folge um Anregungen für die Gestaltung von Feedback während des Unterrichtsgesprächs. Auch in die Direkte Instruktion (nicht zu verwechseln mit Frontalunterricht!) kann man ein Feedback der Lernenden untereinander integrieren. Im Wesentlichen geht es bei dieser Strategie darum, den Schülerinnen und Schülern mehr Sprechanteile und vor allem mehr Zeit für den Auf- und Ausbau von Lernprozessen einzuräumen.

Wissenschaftliche Studien haben ergeben, dass Schülerinnen und Schüler ihre Leistungen deutlich verbessern können, wenn sie häufiger zu Wort kommen und vor allem, wenn sie dabei miteinander ins Gespräch kommen. Den Empfehlungen entsprechend, sollte man den Lehrervortrag nach wenigen Minuten unterbrechen, um den Lernenden Gelegenheit zu geben, sich im Tandem zu den dargebotenen Inhalten auszutauschen, und zwar bieten sich folgende Verfahren an:

1. Die Lehrperson hat eine inhaltsbezogene Frage zu dem soeben dargebotenen neuen Lernstoff gestellt. Die Lernenden suchen nach einer Antwort und diskutieren sie mit einem Tandempartner. Dabei haben die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit, sich wechselseitig zu korrigieren. Am Ende einer solchen etwa 2-3 Minuten dauernden Phase wird die Antwort auf die gestellte Lehrerfrage im Plenum besprochen.

2. Die Schülerinnen und Schüler können im Tandem auch miteinander darüber sprechen, welche Verbindung(en) sie zwischen dem neuen Lernstoff und ihrem Vorwissen bzw. ihren vorangegangenen Lernerfahrungen herstellen können.
Auch hier erfolgt am Ende der kurzen Feedback-Phase eine Erörterung im Plenum, bevor die Lehrperson mit der Darbietung oder Präsentation fortfährt.

3. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass die Lernenden der Tandempartnerin oder dem -partner mit ihren eigenen Worten den soeben eingeführten Stoff erklären. Dieses sogenannte Re-Teachen gilt als besonders lernwirksam, weil Peers untereinander leichter den richtigen Ton finden, insbesondere um komplexere Zusammenhänge „unter die Leute zu bringen.“

4. Die Schülerinnen und Schüler können die Pause aber auch dazu nutzen, sich wechselseitig Verständnisfragen zu stellen. Oft können Tandempartner sich untereinander helfen. Wenn nicht, bringt der Kontakt zu einem anderen Tandem sie möglicherweise weiter, bevor sie sich an die Lehrperson wenden.

In dieser letzten Folge wird auf eine Form des Feedbacks hingewiesen, die zwar nicht im Unterricht selbst stattfindet, sich aber darauf  bezieht, nämlich die kollegiale Zusammenarbeit von Lehrpersonen desselben Faches. Die gemeinsame Erarbeitung von Unterrichtsmaterialien und vor allem gegenseitige Hospitationen im Unterricht spielen eine zunehmend wichtigere Rolle.

Da wir im deutschsprachigen Raum an diese Form der Rückmeldung nicht gewöhnt sind und viele Lehrpersonen wechselseitigen Unterrichtsbesuchen eher skeptisch gegenüberstehen, sei auf Sarah’s Teaching Channel www.teachingchannel.org/newsletters hingewiesen. Nach erfolgreicher Registrierung erhalten Sie kostenfrei einmal wöchentlich einen Newsletter mit kurzen videographierten (sowie kommentierten) Unterrichtsausschnitten. Zwar beziehen sich diese Mitschnitte auf alle Fächer von K–12 (vom Kindergarten bis zur 12. Klasse, dem letzten Jahr der High School), sind aber bei etwas gutem Willen auch auf den Unterricht bei uns übertragbar. ELL (Englisch Language Learners), also Lerngruppen, in denen Kinder und/oder Jugendliche zusammengefasst sind, die Englisch als Zweit- oder Fremdsprache lernen, werden von Zeit zu Zeit ebenfalls berücksichtigt (so z. B. im Newsletter vom 23. Mai 2015).

Nicht selten behandeln diese Videos und die Zusatzmaterialien die Kooperation von Lehrpersonen, die in den USA sehr verbreitet ist. Sie können einen Einblick gewinnen, wie man sich wechselseitig unterstützen und gemeinsam Unterricht planen kann, teils in demselben Fach teils in fächerübergreifenden Projekten. Viele Lehrpersonen haben an den Schulen auch die Möglichkeit, einen Coach in Anspruch zu nehmen, die oder der ihnen ein ganz individuelles Feedback zu ihrem Unterricht gibt.

Häufig ist davon die Rede, dass man den eigenen Unterricht nicht unvoreingenommen wahrnehmen kann und dass eine Hospitantin oder ein Hospitant objektiver sei. Das sollte man in zweierlei Hinsicht relativieren. Bekanntlich hat David Schoen in seinem Ansatz zum Reflective Practitioner schon vor Jahrzehnten darauf  hingewiesen, dass man die Reflexion nach einer Tätigkeit von derjenigen während einer Tätigkeit unterscheiden muss. Er schließt das kurze kritische Überprüfen der eigenen Ergebnisse während des Unterrichts keineswegs aus, und gibt Anregungen, wie man es erlernen kann. Dabei ist zu bedenken, dass man seine Intentionen (und die Lernenden) selbst am besten kennt und daher – eine gewisse Unvoreingenommenheit vorausgesetzt – recht gut einschätzen kann, ob man seine Ziele im Wesentlichen erreicht hat bzw. was „schiefgelaufen“ ist. Zum anderen ist eine Kollegin oder ein Kollege nur bis zu einem gewissen Grad objektiver, denn auch sie oder er hat subjektive Vorstellungen davon, welche Merkmale lernwirksamen Unterricht ausmachen und legt das eigene Kriterienraster an den Unterricht der anderen Lehrperson an.

Unterrichtsbesuche unter Fachkolleginnen und -kollegen sind dann besonders förderlich, wenn man zuvor eine Unterrichtseinheit für die gleiche Klassenstufe gemeinsam plant und bei der Durchführung des Unterrichts wechselseitig schaut, was man in der jeweiligen Lerngruppe erreicht. Nach und nach entstehen auf diese Weise Unterrichtseinheiten, die auch von anderen Kolleginnen und Kollegen des Fachbereichs genutzt werden können.

Was Schule und Unterricht angeht, so ist selbstverständlich die Lehrperson in diesem Kontext der entscheidende Faktor. Das sollte für Lehrpersonen ein Ansporn sein, die zur Einflussnahme zur Verfügung stehende Spanne im Sinne des Angebot-Nutzungs-Modell von Andreas Helmke bestmöglich zu nutzen.

Dass Lehrpersonen keineswegs für alles und jedes, was bei der Erziehung von Kindern und Jugendlichen nicht wunschgemäß läuft, zur Rechenschaft gezogen werden dürfen und Ihre Lehrerpersönlichkeit in der Flut von Vorgaben nicht untergraben werden sollte, fordere ich in meinem Narr-Studienbuch: Standards, Kompetenzen und fremdsprachliche Bildung, welches im Herbst 2015 erschienen ist.